S O E B E N E R S C H I E N E N : T H E O L I N G U I S T I C A 9
Miriam Tabea Kraaz (2024): Wunder und Glaubenswelt in Martin Luthers Briefen. Insingen: Akademische Verlagsoffizin Bauer & Raspe, Edition Schneider & Weigel. 407 S.
Die Frage, was ein Wunder ist, betrifft den Kern des Glaubens. Welchen Wunder-Begriff vertrat Martin Luther? Die vorliegende Arbeit rekonstruiert den Wunder-Begriff des Reformators aus seinen Briefen. Bei der Analyse verwendet Miriam Tabea Kraaz die MöglicheWelten-Theorie. Mit der daraus entwickelten Methode wird sichtbar, wie Luther in den Briefen theologische Welten eröffnet, kritisiert und neu miteinander verbindet. Auf diese Weise richtet Luther die Adressierten der Briefe auf den reformatorischen Glauben aus. Dabei wird der Wunder-Begriff zum Probierstein einer besonderen theologischen Redeweise. Der spätmittelalterliche Wunder-Begriff erhält eine neue Prägung und zieht in den Alltag ein. Das Wunder wandert gleichsam vom weit entfernten Wallfahrtsort direkt zum glaubenden Menschen. Die personale Nähe des Wunders wirkt sich nicht nur auf die Kommunikation über die Reformation aus, sondern auch auf das Reden über Politik, Medizin und Natur. Wenn Luther in seinen Briefen den Wunderbegriff verwendet, rückt er in besonderer Weise Gottes Wirken ins Zentrum aller Bereiche menschlichen Lebens und Handelns.
Miriam Tabea Kraaz studierte evangelische Theologie in Göttingen und Marburg. Im Anschluss erhielt sie eine Förderung durch das Graduiertenkolleg 1728 „Theologie als Wissenschaft“ und verfasste in diesem Rahmen ihre Dissertation. Seit 2021 ist sie als Pfarrerin in Arnoldshain im Taunus tätig.